Søren Zschocke
Zur Kunst bin ich schon sehr früh gekommen, seitdem ich einen Stift halten konnte, habe ich gemalt und gezeichnet. Ich konnte ihn nicht mehr aus der Hand legen. Die Kunst brachte mich durch die schwierige Kindheit und Jugend, ermöglichte mir geheimnisvolle und fantastische Welten zu entdecken.
Mein Auge geht immer anders auf Entdeckungstour als das meiner Mitmenschen, das habe ich oft gemerkt. Es tastet sich über Körper und Oberflächen, über Landschaften und Gassen, durchdringt die Geometrie und Anatomie. Vom Auge ins Gehirn, von dort zur Hand und von der Hand durch die Feder oder den Stift aufs grobe Papier. Mein Stil hat sich verändert, so wie ich mich verändert habe in meinem Leben, von der Naturstudie zur jetzigen Richtung, welche ich als lockere, flirrende und mit Lust und Temperament gefüllte Linie und Art beschreiben würde. Eine Leichtigkeit ist hinzugekommen.
Jetzt im Alter von über 50 Jahren werden meine Zeichnungen schneller, verwaschener, rotziger, trotzdem deutlich auf das Wesentliche konzentriert auf Akzente, die für mich wichtig sind und vielleicht auch für den Betrachter; und genau um den geht es ja am Ende auch, wenn das Bild bei Menschen ankommt, es Gefühle auslöst. Erinnerungen. Und auch da bin ich ganz beim Betrachter, ich möchte ihn entführen in eine Welt, die es so nicht gibt, aber die er erkennt, dass es ihn berührt, dass er sie schon einmal gesehen hat, er darf sich erinnern oder er darf Neues entdecken darin. Es soll ihn berühren und schöne oder ungewohnte Gefühle auslösen. Weniger provokativ, das ist nicht mein Sinn. Meine Aufgabe ist mit einer Ästhetik hinzusehen, um herauszukommen aus dem Alltag hinein in die Kunstwelt, in die Welt des Anderssein, des Verborgenem, des Fremden.
Andreas Böer
Ich bin das jüngste von 8 Kindern aus katholischem Hause. Auf Fotos wirkte ich selten ausgelassen und vital. Ich war oft allein und schon früh Choreograf meines Alltags, führte Selbstgespräche mit Figuren, die ich erschuf, versuchte, mir selbst eine gute Gesellschaft zu sein. Im Kindergarten rannte ich noch weg, wenn ich eine Leiter malen sollte. Als ich in der Grundschule war, bat ich meinen Bruder, mir ein Pferd zu malen, das ich dann selbst in allen Farben ausmalte: das Hinterteil war violett. Das könnte meine erste selbstbewusste Begegnung mit künstlerischer Freiheit gewesen sein.
Meine Umsetzung provozierte, ließ vielleicht Zweifel an meiner seelischen Verfassung aufkommen, konfrontierte. Diese Erfahrung weckte Lust auf mehr, ich begann, selbst zu zeichnen und meinen Ausdruck zu entdecken. Im zarten Alter von 11 Jahren schrieb ich mein erstes Reisetagebuch und ließ es meinen Onkel lesen. Egal, was ich versuchte, ob ich schrieb, tanzte oder malte - ich hätte nach den Reaktionen derer, denen ich mich zeigte, alles werden können: Tänzer, bildender Künstler, Regisseur. Ich hatte das Glück, Gefallen an meinen Kindheitsmustern zu finden und ihnen mit dem Herzen in der linken und dem Kopf in der rechten Hand Form und Richtung zu geben. Der engagierte Prozess lässt zwangsläufig eine Beziehung zwischen mir und dem Objekt entstehen. Es lässt sich nicht vorhersagen, wie dieser verläuft, ob alle Widerstände überwunden werden oder ob wir aneinander scheitern.
In meinen späten Arbeiten erkenne ich mit Erleichterung, dass ich meine Kindheitsmuster nicht überwunden, sondern kultiviert habe, dass mich manches rotzfrech angrinst, manches provoziert, manches erregt, manches überrascht. Die Lust auf künstlerisches Schaffen ist ungebrochen. Ich nehme jede Anstrengung auf mich, weil ich wie früher noch immer so neugierig und aufgeregt bin, was meine Arbeiten im Auge das Betrachters - eines jedweden Betrachters - auslösen, ob sie seinem Blick widerstehen und es ihnen gelingt, sie für mehr als 2 Minuten in ein Gespräch zu verwickeln.
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